Asserts Blick auf chinesische Kultur

Der frühere Leiter des Stiftischen Humanistischen Gymnasiums sprach beim Wissenschaftlichen Verein über chinesische und europäische Denkweisen..

Bodo Assert referierte beim Wissenschaftlichen Verein im Haus Erholung zum Thema: „Wie anders denken Chinesen?“. Foto: Renate Resch

Von Renate Resch

Die Stühle reichten nicht für alle Besucher, die den Vortrag von Bodo Assert zum Thema „Wie anders denken Chinesen?“ hören wollten. Es mussten noch zusätzliche Sitzgelegenheiten dazu gestellt werden, damit alle Zuhörer Platz hatten. Im Haus der Erholung referierte der ehemalige Leiter des Stiftischen Humanistischen Gymnasium, der mit seiner Pensionierung seine Liebe zu China und dessen Geschichte, Philosophie, Sprache und Malerei entdeckt hatte. Um die Sinologie besser studieren zu könne, verbrachte er lange Zeit in China und lebte dort in einer Familie, was ihm einen direkten Einblick in den chinesischen Alltag gab.

Der studierte Germanist und Philosoph lenkte die Aufmerksamkeit der Besucher auf die Merkmale der chinesischen Sprache und zeigte die andere Denkrichtung dieser Kultur auf. Ihm war an diesem Abend wichtig, die Wurzeln der Kulturen zu beleuchten und die unterschiedlichen Ansätze des Denkens zu vermitteln. Aktuelle und zukünftige Kulturphänomene blieben im Hintergrund.

„Das antike China versteht die Welt als Prozess innerhalb einer bipolaren, aber immanenten Wirklichkeit – wie bei Ying und Yang, Tag und Nacht, Sommer und Winter, wobei beide Pole gleichwertig sind“, erläuterte Bodo Assert. „Im Unterschied zu unserer Denktradition, die bipolare Gegensätze in deutlich werthaltiger Spannung sieht, wie Gott und Welt, Geist und Körper, Subjekt und Objekt.“ Er legte ferner dar, dass die chinesische Kultur kein Denken des freien Willens, der individuellen Freiheit oder der Sünde kennt. „Man kann etwas falsch machen, sich dafür schämen, aber man kann nicht sündigen“, erklärte er.

Durch seine Beschäftigung unter anderem mit dem chinesischen Philosphen Menzius weiß Assert, dass dieser nicht in den Begriffen des Entscheidens und Handelns denkt. Das Vorbild der Chinesen ist das pflanzliche Wachsen. Sie wollen „helfen, damit sich das Potenzial entfalten kann, wachsam sein, um nicht die Gelegenheit zu verpassen und verloren gehen zu lassen. Es geht nicht darum, sich entscheiden zu müssen, indem man selbst über Gut und Böse, Tugend und Laster, Gott und Teufel entscheidet.“ Dies stehe im Gegensatz zum europäischen Denken, das einen Plan und ein Ziel verfolge.

Ohne den freien Willen, gibt es auch keine Schuld. Daraus folgt, dass sich auch kein Rechtsstaat entwickelt hat. „Recht bedeutete in China schon vor Jahrtausenden das, was die Einhaltung der kosmischen Ordnung garantiert. Recht war in China immer das Machtmittel der Herrschenden, um Ordnung herzustellen“, stellte der Sinologe fest. Abschließend interpretierte Bodo Assert ein chinesisches Gedicht und zeigte damit nochmals die signifikanten Unterschiede der sprachlichen und gedanklichen Erscheinungen dieser unterschiedlichen Kulturen.

Quelle: RP