Experte: China schwimmt im Geld und ist auf der Zukunftssuche

Beim Wissenschaftlichen Verein stellte Markus Taube strukturelle Probleme der chinesischen Volkswirtschaft vor und analysierte Ansätze zu deren Lösung. Von Angela Wilms-Adrians
 

Nicht zum ersten Mal stand das Thema China auf der Agenda der Vortragsreihe im Wissenschaftlichen Verein Mönchengladbach. „Man macht sich oft nicht deutlich, dass China die am längsten existierende Großmacht der Welt und ein interessanter Partner für Deutschland ist“, hob der einst langjährige Vorsitzende Bodo Assert im Haus Erholung hervor. Auf seine Anregung hin wurde mit dem Referenten Markus Taube ein ausgewiesener Experte gewonnen. Der referierte über „China auf Zukunftssuche“ mit der Fragestellung „Warum ist ein China 2.0 notwendig und wie könnte es aussehen?“.

Bodo Assert, langjähriger Vorsitzender des Wissenschaftlichen Vereins, war bereits selbst in China. Foto: Assert

Der promovierte Sinologe und Volkswirtschaftler ist Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft, Direktor der In-EAST School of Advanced Studies an der Universität Duisburg-Essen, leitet als Ko-Direktor das Konfuzius Institut Metropole Ruhr und hält Gastprofessuren an der Nankai Universität in China. Entsprechend groß war der Kenntnisschatz, aus dem Taube spannend und umfassend zu schöpfen wusste.

Es sei, als habe der chinesische Drache an Flugkraft verloren, nachdem Wachstumsraten von zehn Prozent in China lange selbstverständlich schienen, sagte Taube und betonte, dass ein Wachstum von fünf bis sechs Prozent immer noch sehr gut sei. Mit Blick auf Chinas „Wirtschaftswunderjahre“ entwickelte er zunächst die „China Story 1.0“. Die Geschwindigkeit des nachholenden Wachstums erklärte Taube mit vier Säulen: „billige“ Arbeitskräfte, Ersparnis in Investitions-Nexus, hohe Sparquoten und Export statt Kaufkraft. In den 1970er Jahren drehte die Ein-Kind-Politik den von Mao geforderten Kinderreichtum ins Gegenteil.

 

Die Folgen zeigen sich mit Verzögerung. 2015 war der Gipfel der Verfügbarkeit von Arbeitskräften erreicht. Das Geschäftsmodell der billigen Arbeitnehmer ist vorbei. Beim Wachstum habe China lange Zeit von den Erfahrungen der Vorreiter Länder profitieren, eigene Fehlwege vermeiden und damit Ressourcen sowie Kosten sparen können. Doch irgendwann sei eine gläserne Decke erreicht, die nur mit unternehmerischen und technologischen Innovationen überwunden werden könne. Veränderungen seien notwendig. „Nach einem sehr erfolgreichen Reformprozess machen sich langsam Bremsspuren bemerkbar“, so Taube mit Verweis zum Beispiel auf die Umweltbelastung, die eine kritische Grenze überschritten hat, und den selbst herbei geführten demografischen Wandel, der zur Bürde wird. Die Sparquote sei immer noch hoch. „Wir haben die Situation: China schwimmt im Geld und hat keine Anlagemöglichkeiten.“

Beim Kauf von ausländischen Unternehmen sei China nun vor allem an den Bereichen Forschungs- und Entwicklungsfähigkeit interessiert, um Knowhow zu kaufen. Kurzfristig sei dies eine „zuckersüße Traube“, da durch Übernahmen in Deutschland Arbeitskräfte gesichert werden und Unternehmen Zugang zum chinesischen Markt finden. Doch das Erwachen könnte bitter werden. China sucht stärkere Partner, will den Lerneffekt, nutzt diesen aber für den sehr geschützten chinesischen Markt, stellte Taube fest. Damit ließen sich auch ordnungspolitische Konflikte zwischen den Ländern erklären. Zur Frage, ob China eine Marktwirtschaft ist, stellte Taube fest: Auf der Oberfläche ist die Wirtschaft extrem kapitalistisch. Doch die Wertschöpfungskette von Privatunternehmen wird diskriminiert, während die Unternehmerelite identisch mit der Parteielite ist.

Quelle: RP »