Andreas Dinklage hielt im Haus Erholung einen Vortrag und erklärte, wie der Stellaratorweg zur Energie der Zukunft führen könnte. Wie ein Stellarator in etwa aussieht, ist an der Leinwand zu sehen. Foto: Markus Rick (rick)
Es waren fossile Energieträger wie Kohle, Gas, Öl und auch die Kernkraft, die in der Vergangenheit das „angenehme Leben“ möglich machten, wie es der Plasmaphysiker Andreas Dinklage formulierte. Aber ob die erneuerbaren Energien aus Photovoltaik, Wind, Wasser und Wärmeenergie alle Wünsche erfüllen können, ließ Dinklage offen, als er im Haus Erholung auf Einladung des Wissenschaftlichen Vereins eine andere mögliche Lösung vorstellte. Es geht um nicht mehr, als dass für die künftige Energieversorgung die Kraft der Sonne auf die Erde geholt werden soll.
Das Modell, wie das geschehen könnte, stellte Dinklage vor: die Kernfusion. Dabei erzeugen Spulen ein Magnetfeld, um 150 Millionen Grad heißes Plasma festzuhalten. Nur wenige Ausgangsstoffe seien nötig, um eine Fusion zu betreiben: Deuterium und Tritium, also „schwerer“ und „überschwerer Wasserstoff“. „Nur 0,2 Gramm Tritium und 0,05 Gramm Deuterium versorgen eine europäische Familie ein Jahr lang“, sagte Dinklage. Dennoch sind dies alles noch Zukunftsträume. Die Fusion könne nicht die aktuelle Klimakrise lösen, betonte Dinklage. Er erwartet Fusionskraftwerke frühestens Mitte des Jahrhunderts oder später.
Dann sind mehr als 100 Jahre vergangen von den ersten Ideen bis zur Umsetzung. Schließlich gebe es viele Probleme zu bewältigen, so der Plasmaphysiker. Dies zeigt sich auch im Namen des Projektes. Berge sollten zeigen, wie steil die These ist: Zunächst lieh man sich das Matterhorn für die Experimente, dann aber lag das Labor in Garching näher am Wendelstein, der nun das Projekt beschreibt – genauer „Wendelstein 7-X“. „Wir sagen lieber kurz W7-X“, sagte Dinklage, der heute in Greifswald arbeitet, wo eine Experimentieranlage, „Stellarator“ genannt, zur Erforschung der Kernfusionstechnik aufgebaut wurde. Bei der Suche nach „dem Heiligen Gral der Energieversorgung“ sind die Fusionsexperimente europäische Projekte, wie Dinklage erläuterte.
Wie bedeutsam eine verlässliche Energieversorgung in der Zukunft ist, zeigen auch die bisherigen Investitionen. Dinklage nannte 1,5 Milliarden Euro, die für die Experimentierphase bisher eingesetzt wurden. „Die Fusion braucht extreme Temperaturen“, sagte der Physiker. Nach Problemen in den 1970er Jahren, sei der Stellarator inzwischen beherrschbar. Spulen erzeugen ein Magnetfeld, das Plasma werde dort verdrillt, „keine Teilchen gehen nach draußen.“ Das Problem aber ist die Dauer des Weges, auf dem das Plasma unterwegs ist. „Wir betreiben es jetzt aktuell bis zu acht Minuten“, sagte Dinklage. Das Ziel bleibe ein wirtschaftlicher Reaktor.
Ob der in Zukunft Realität wird, steht derweil auf einem anderen Blatt: „Letztlich sollte die Gesellschaft entscheiden“, sagte Dinklage. „Wir können nur sagen, ob wir es machen können oder nicht.“ Der Plasmaphysiker ist sich aber inzwischen sicher: „Die W7-X-Grundidee funktioniert, die Vorteile des Stellarators sind umsetzbar.“
Zur Person Andreas Dinklage studierte an der Ruhr-Universität Bochum, wo er 1995 im Fach Experimentalphysik promovierte. 2002 habilitierte er an der Universität Greifswald. Neben seiner dortigen Tätigkeit gehört er zum wissenschaftlichen Stab des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik und ist „Eurofusion“-Projektleiter für den Beitrag der EU zu W7-X.