Kleists berühmte Novelle galt von Anfang an als Skandaltext, nicht bloß wegen ihres Ausgangsmotivs, der unwissentlichen Schwangerschaft. Und weil die Vergewaltigung bis in die jüngste Zeit bagatellisiert wurde, hat sich ein Teil der Leserschaft, insbesondere die feministische, immer wieder provoziert gefühlt – erst recht, weil der prominenteste Fürsprecher dieser Lesart, Sigmund Freud, von dem weiblichen Einverständnis mit diesem Gewaltakt ausging. Es hat heftige Auseinandersetzungen mit der psychoanalytischen Deutung gegeben. Das Raffinement der erzählerischen Konstruktion und das ambivalente Verhalten des Erzählers, der das Skandalöse auf die Spitze treibt, eröffnen einen enormen Spielraum. Der satirische Blick auf die preußische Adelsgesellschaft um 1800, vor allem aber die verdeckte abgründige Komik, die hier erst aufgedeckt werden soll, machen die lange dominierende psychoanalytische Sicht sichtbar als Verfehlung des Textes, als den eigentlichen Vergewaltiger der Novelle.
Dr. Dieter Liewerscheidt war vor und neben seiner Tätigkeit als Deutschlehrer mit Seminarveranstaltungen zur neueren deutschen Literatur an der Universität zu Köln beauftragt. Seine Veröffentlichungen befassen sich vorwiegend mit der Goethe-Zeit und der klassischen Moderne. Unserem Publikum ist er durch eine Reihe von Vorträgen bekannt.
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