Am deutlichsten wird die entschiedene Abkehr und Ablehnungen des von Deutschland Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts betriebenen Kolonialismus‘ an der Umwidmung der Lettow-Vorbeck-Straße, aus der im Jahr 2021 „Am Rosengarten“ wurde. Lettow-Vorbeck war im Ersten Weltkrieg als deutscher Generalmajor Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika, einer der Kolonien Deutschlands, zu denen weitere in West-Afrika und in der Südsee sowie eine Enklave in China gehörten.

Die aus Rheydt stammende Bechhaus-Gerst forscht als Historikerin und Kulturwissenschaftlerin unter anderem zur deutschen Kolonialgeschichte und zum Kolonialismus im Rheinland. Sie machte deutlich, aus welchen Gründen Kolonien geschaffen wurden: Es ging um die Sicherung von Rohstoffen, um Absatzmärkte und um Flächen zur Ansiedlung von Landsleuten. Kolonialbesetzungen galten als Heilmittel gegen wirtschaftliche Krisen. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs war die Kolonialisierung vorbei, aber sie existierte in den Köpfen von Wirtschaftsführern und Politikern ebenso weiter wie in den Kolonialgesellschaften.

Geradezu erschreckend fanden die Zuhörer eine Anmerkung der Referentin zum späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer, der 1931 als Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft davon sprach, Deutschland müsse Betätigungsraum in Übersee gewinnen, um seine wirtschaftlichen Interessen zu wahren.

Auch im Raum Mönchengladbach-Rheydt hinterließ der Kolonialismus Spuren. Bereits 1881 gab es den Westdeutschen Verein für Colonisation und Export, der Teil der Deutschen Kolonialbewegung (DKG) wurde. 1893 gründeten sich Ortsgruppen in Rheydt, Odenkirchen und Mönchengladbach. 1902 entstand in Rheydt eine eigenständige DKG-Gruppe, 1907 folgte Mönchengladbach. Nach dem Verlust der Kolonien entwickelten sich in den 1920er- und 1930er-Jahren die Gruppen neu, und es entstand sogar 1927 in Rheydt der Frauenbund innerhalb der DKG.