Wissenschaftlicher Verein in Mönchengladbach
„Politik ist Emotion, das wird oft verkannt.“
Mönchengladbach · Der Wissenschaftler Emanuel Richter sprach im Haus Erholung über das eigentliche Ziel von Politik, beunruhigende Entwicklungen und falsche Versprechen.

Der ehemalige Professor Emanuel Richter griff bei seinem Vortrag in Mönchengladbach die Frage auf: „Was soll Politik heutzutage leisten?“ Foto: Markus Rick (rick)
Für Emanuel Richter ist Politik sozusagen täglich Brot. Der freundliche Mann, dem man seine 70 Jahre nicht unbedingt ansieht, hat sich sein Leben lang mit Thema befasst, war unter anderem Professor für „Politische Systeme“ an der RWTH Aachen. An diesem Abend steht er aber am Rednerpult im Haus Erholung vor den Mitgliedern und Gästen des Wissenschaftlichen Vereins und spricht bei seinem Vortrag über die Frage: „Was soll Politik heutzutage leisten?“
Emanuel Richter macht dabei deutlich: „Politik antwortet auf den Regulierungsbedarf von Gemeinwesen, damit sie funktionieren.“ Hört sich klar an, ist aber kompliziert. Jedenfalls ergibt sich nach dem 40-minütigen Vortrag des Hochschullehrers, der in den letzten Jahren über den Fernsehsender Phoenix beachtliche mediale Prominenz erlangte, so viel Gesprächsbedarf im Publikum, dass die 90 Minuten der Veranstaltung nicht nur im Fluge vergehen, sondern mit offenen Fragen enden.
Richter beobachtet in der bundesrepublikanischen Gesellschaft – aber nicht nur dort – eine zunehmende Kluft zwischen denen, die als Politiker versuchen, verantwortlich zu handeln, und denen, die Politik als eine Art Dienstleistung für ihr Wohlergehen begreifen. Dabei, so Richter, gerate das eigentliche Ziel von Politik, nämlich durch Interaktion als Gesellschaft zu gemeinsamen Lösungen zu finden, immer mehr in den Hintergrund. Und das nicht nur, weil etwa Populismus im Bedienen von Partikularinteressen die Gesellschaft spalte und damit seinem Wesen nach unpolitisch sei.
Auch der Stil von Politik, der sich schon seit der Ära von Angela Merkel gern abgeklärt „scholzisch“ gibt, habe laut Richter zumindest Schattenseiten: „Politik ist Emotion, das wird oft verkannt.“ Allerdings sei das Umfeld, in dem Politiker handeln, in den vergangenen Jahrzehnten immer komplexer geworden. In den mannigfachen Krisen – er nennt etwa die Bedrohung von Natur und Umwelt, Migration, Kriege, Terrorismus – seien einfache Lösungen nicht zu haben. „Es braucht eine Erdpolitik“, sagt der Vortragende mit plötzlicher Emphase. Alle an unserer Welt Teilhabende brauchten eine Stimme, auch die Natur. Beispielhaft gesprochen: „Was sagt uns ein Tornado?“
In der Diskussion geraten dann unter anderem auch die „zur Vereinfachung neigenden Sozialen Medien“ in den Fokus. Für Begeisterung ist da kein Anlass, so der Konsens der Versammlung im Haus Erholung.
Am Ende des Abends gibt es für Emanuel Richter, der in der weiten Welt studiert und gelehrt hat, aber von Mönchengladbach nur den Bahnhof kennt, weil ein Zug nach Köln umgeleitet wurde, eine süße Erinnerung mit lokalem Bezug. Die nächste Veranstaltung des Wissenschaftlichen Vereins am 5. November widmet sich dem Philosophen Kant, dann im Humanistischen Gymnasium.