Das erste Grundgesetz – die „Goldene Bulle“

Vortrag von Historikerin

Das erste Grundgesetz – die „Goldene Bulle“

Mönchengladbach · 450 Jahre lang war die Verfassungsschrift in Kraft. Trotzdem wissen heutzutage wenige davon. In einem Vortrag im Haus Erholung hat Prof. Eva Schlotheuber über die Entstehung gesprochen – und die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst.

Prof. Eva Schlotheuber lehrt die Geschichte des Mittelalters an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.  Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Es gilt als eines der wichtigsten Dokumente der deutschen Verfassungsgeschichte und als erstes Grundgesetz. Sieben Exemplare existieren, das Original befindet sich in Frankfurt und wer Interesse hat, kann dort im Foyer des Instituts für Stadtgeschichte virtuell in dem Original blättern. Die Rede ist von der sogenannten Goldenen Bulle von Kaiser Karl IV. aus dem Jahr 1356, die 450 Jahre lang in Kraft blieb. Die Goldene Bulle wurde 2013 in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen.

Sich ihrer intensiv forschend angenommen hat die Professorin Eva Schlotheuber. Die Historikerin ist Fachfrau für die Geschichte des Mittelalters, die sie seit 2010 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lehrt. Auf Anregung von Jörg Wittenberg, Vorstandsmitglied des Wissenschaftlichen Vereins Mönchengladbach, hielt sie im Haus Erholung einen Vortrag mit dem Titel „Verfassung als Prozess – oder die Goldene Bulle zwischen Kaiser und Papst“.

Ein Thema, das – auch wenn die Verschriftlichung der verbindlichen politischen Regelungen bereits vor über 600 Jahren stattfand – in Zeiten, in denen über die Demokratie diskutiert wird, immer noch hochaktuell ist. Aber nicht allen vertraut. Das bedauerte Schlotheuber, als sie das fehlende Wissen über diese historische Geschichte bei Schulabgängerinnen und Schulabgängern beschrieb. Mit dem Wissen um die Vergangenheit im Hintergrund werde die Gegenwart verständlicher.

„Die Goldene Bulle ist eine spannende Geschichte“, sagte Schlotheuber, die 2023 gemeinsam mit Maria Theisen das Buch „Die Goldene Bulle von 1356: Das erste Grundgesetz des römisch-deutschen Reichs“ veröffentlichte. Die Regelungen in der Verfassungsschrift stellen laut ihr den „vorläufigen Endpunkt erbitterter Auseinandersetzungen mit den Päpsten dar“. Angesichts einer Krisenlage des Reichs im 14. Jahrhundert – man war politisch auf dem Weg zu einer Spaltung – war es das Ziel von Karls IV., dem Reich eine neue Verfasstheit zu ermöglichen und die Kurfürsten von ihrer neuen Verantwortung zu überzeugen.

Ein gleichberechtigtes Kollegium der Kurfürsten war charakteristisches Element der Verfassung, so Schlotheuber. Die Goldene Bulle regelte als zentrales Dokument der Verfassung die „Modalitäten der Wahl der römisch-deutschen Könige und Kaiser und die Stellung der Kurfürsten“ – und das bis 1806. Eine wichtige Regelung bestand darin, dass die Bestätigung des Papstes für die Gültigkeit einer Wahl nicht mehr erforderlich war.

König Wenzel IV. hat das Dokument um 1400 illustrieren und als Prachthandschrift ausführen lassen. Ein paar Einblicke in das eindrucksvoll bebilderte Grundgesetz erhielten die Zuhörerinnen und Zuhörer des Vortrags über eine Powerpoint-Präsentation.

(b-r tsi)