Vortrag von Gereon Uerz in Mönchengladbach:
Mönchengladbach
Der Preis des motorisierten Individualverkehrs sei sehr hoch, sagt Soziologe Gereon Uerz. Beim Wissenschaftlichen Verein entwarf er Visionen für eine Mobilität, die weniger von Autos geprägt ist.
Von Marcel Kolb
Foto: Detlef Ilgner (ilg)
„Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.“ Dieses Zitat des griechischen Philosophen Heraklit zog sich durch den Vortrag, den Gereon Uerz im Haus Erholung hielt. Der promovierte Soziologe Uerz arbeitet als Experte für „Foresight und Innovationsmanagement“ im Ingenieur- und Beratungsbüro Arup.
Innovationen habe es immer gegeben, begann er seinen Vortrag. Sie seien nur im letzten Jahrhundert immer rasanter geworden. Er spannte den Bogen von Kaiser Wilhelm II., der das Automobil als vorübergehende Erscheinung bezeichnet haben soll, bis hin zum IBM-Chef Thomas Watson, der im Jahr 1943 prophezeite, dass es weltweit maximal einen Markt für fünf Computer gebe.
Ludolf Kolsdorf, der Vorsitzende des wissenschaftlichen Vereins, eröffnete den Vortrag zur Mobilität. Uerz selbst beschrieb seinen Vortrag als „Darstellung der Chancen und Herausforderungen, die die Mobilitätswende mit sich bringt“.
Der mit Abstand größte Teil der von Menschen zurückgelegten Entfernungen wird im sogenannten motorisierten Individualverkehr, das heißt mit Autos, zurückgelegt. „Das hat seinen Preis. Und der ist ziemlich hoch“, sagte Uerz. Weltweit gibt es jährlich etwa 1,3 Millionen Verkehrstote. „Damit sterben mehr Menschen durch Unfälle im Straßenverkehr als durch Infektionskrankheiten wie Tuberkulose“, so Uerz. Der durchschnittliche Arbeitnehmer verbringe im Jahr rund 120 Stunden im Stau. „Zeit, in der er nichts anderes tun kann.“
Auch der Ressourcenverbrauch des Autoverkehrs ist enorm. „Wir erlauben es uns, dass über Straßen und Parkplätze durchschnittlich die Hälfte des Platzes in Innenstädten der EU für den motorisierten Individualverkehr reserviert wird. Das scheint im Zeitalter der Wohnungsnot unvorstellbar.“ Doch hier setze ein Wandel ein: „Schon jetzt denken viele Bauherren mit Blick auf die Mobilität der 2020er Jahre um.“ Die Mobilitätswende im Individualverkehr solle also kommen.
Laut Uerz hat sie folgendes Gesicht: In der Stadt werden beispielsweise Carsharing-Dienste das Fahren verändern. „Im Moment stehen Autos 92 Prozent der Zeit. Das sind Steh-Zeuge, keine Fahr-Zeuge.“ Wenn die Autos weniger Platz für Parkraum belegten, werde auch mehr Raum für Stadtentwicklung, für neue Wohneinheiten oder Freizeitflächen frei.
Zur Bekämpfung von Wohnungsknappheit kommen nun auch die Flachdächer vor. „Es ist denkbar, bestehende Flachdächer, wie beispielsweise von vielen Supermärkten, mit Wohnungen aufzustocken.“
Auch der ländliche Raum sei dabei ein spannendes Betätigungsfeld für die Entwicklung neuer Mobilitätsformen. Ein Beispiel ist nach Uerz die Entwicklung von Bürgerbussen. „Ich halte es für denkbar, dass Verkehrsverbünde aus Bürgerverkehren auf dem Land entstehen.“ Es könne aber auch ganz anders aussehen: Hierzu zitierte Uerz den Physiker Heinz von Foerster: „Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird.“
Quelle: RP