Mönchengladbach
Von Nina Jedrychowski
„Erinnern Sie sich an die Nachrichten über die Tsunami in Asien? Genauso wird es den Volksparteien in Deutschland ergehen“, sagte Professor Ulrich von Alemann in der Gladbacher Bank zu Beginn seines Vortrags „Erodieren unsere Volksparteien? – Zur Entwicklung des deutschen Parteiensystems“. Der Wissenschaftliche Verein Mönchengladbach hatte den Professor der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf zur öffentlichen Veranstaltung eingeladen.
Von Alemann fragte in die Runde: „Ist die Union noch eine Volkspartei? Dieses Thema begleitet uns andauernd durch die Medien.“ Aus Sicht des Politikwissenschaftlers, der den Begriff der Volkspartei aus historischen Hintergründen ungern benutze, sei sie das nicht. Eine Volkspartei würde sich nah an der Zielgruppe orientieren. „Heute ist es das Ziel, eine Stimmenmaximierungspartei zu sein“, so von Alemann.
In seinem Vortrag thematisierte von Alemann die aktuelle politische Lage bezüglich der Wählerstimmen. Grund dafür, dass den neuesten Umfragen nach eine große Koalition nicht zustande kommen würde, seien die wachsenden Prozentsätze der kleineren Parteien wie die der Linken, der Grünen, der FDP und der AfD. „Der Wähler ist wechselhafter geworden – ähnlich wie an der Börse“, sagte von Alemann. Die Parteien sollten weiterhin versuchen, die Wähler zu überzeugen. Er glaube dennoch: „Das deutsche Bundesparteiensystem ist im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn relativ stabil.“
Mit einer Grafik verdeutlichte von Alemann, dass fast alle Parteien im deutschen Bundestag sich inhaltlich mittig treffen. „Man geht bei der Wählerverteilung von einer Glockengrafik aus. Das bedeutet, dass, während sich an den Rändern der Grafik nur wenige Wähler positionieren, die Mehrheit sich eher mittig auf der Links-Rechts-Skala einordnet. Die Parteienunterschiedlichkeit ist nicht mehr so stark gegeben.“
In einer Fragerunde gab von Alemann seine Einschätzung der aktuellen Geschehnisse in Ost-Deutschland preis. „Mir erscheinen die linken Bewegungen nicht richtig zu Ende gedacht“, sagte er. Zur Zukunft der AfD im deutschen Bundestag sagte er: „Bisher haben wir angenommen, dass die AfD unter die Zehn-Prozent-Marke fallen würde, doch neueste Ereignisse bestätigen diese Annahmen nicht. Ich bin vorsichtig bei solchen Prophezeiungen.“
Auch das Thema „Nicht-Wähler“ wurde angesprochen. „Seit rund zehn Jahren beschäftigen wir uns mit den Nicht-Wählern, die teils hochpolitisch Interessierte sind und mit ihrer Weigerung nur ihre Meinung gegen die aktuellen Parteien präsentieren“, sagte von Alemann. Dass die Zahl der Nicht-Wähler derart groß ist, sei „das Versagen der politischen Demokratie.“ Zu einer möglichen Beeinflussung „der Flüchtlinge“ auf das Parteiensystem sagte er: „Wir hatten schon viel größere Flüchtlingsprobleme“, und positionierte sich gegen die Aussagen des CSU-Chef Horst Seehofer.
Quelle: RP